Das Verhaltensrepertoire bezeichnet die Menge der möglichen Verhaltensweisen, zu denen ein Individuum fähig ist. Eine tatsächliche Umsetzung in eine Handlung, für die sich eine Person entscheidet, muss nicht gegeben sein. Dies macht Arschlöcher zwar nicht liebenswerter, aber berechenbarer, da sie sich – trotzdem sie in ihrer Boshaftigkeit grenzenlos sind – wiederkehrenden Verhaltensmustern bedienen. Vor allem ist hier die emotionale Erpressung zu nennen. Viele meinen, dass die emotionale Erpressung nur in der Partnerschaft oder Ehe vorzufinden ist. Dort, wo wir Intimität leben und sehr verletzlich sind. Keinesfalls!
Emotionale Erpressungen und ihre Spielarten kommen häufiger vor, als wir bewusst wahrnehmen und sind in allen Lebenssituationen anzutreffen. Sie sind vielschichtig und dienen der Manipulation des Opfers, um diese zur Übernahme der Meinung, der Ware oder der Dienstleistung zu bewegen:
– „Ich bin letztes Mal hinter dir gestanden, obwohl du im Unrecht warst“
– „Bei unserer letzten Lieferung war ich in der Preisgestaltung sehr großzügig“
– „Wir machen ja immer mehr für Sie, als wir müssten“
Die Zielerreichung liegt offen auf der Hand. Der Manipulator erzeugt Druck auf sein Gegenüber, das sich argumentativ kaum gegen die Vorhaltung wehren kann. Gleichzeitig wird das Opfer durch den psychischen Druck in die Pflicht genommen, eine bestimmte Erwartungshaltung des Arschloches zu erfüllen. Nichts belastet Menschen mehr als das „schlechte Gewissen“, dem ein Schuldgefühl einhergeht, das anzeigt: Ich habe etwas Falsches getan; mein Verhalten war negativ! Vielfach gehen die Alltagserpressungen an uns emotionslos vorüber, belasten uns nur in geringem Maße oder verärgern uns temporär. Jene emotionalen Erpressungen, welche die Menschen tief berühren und sie emotional massiv beteiligen, sind schwer zu bewältigen bis hin zum Totalverlust des Wohlbefindens. Der emotionale Erpresser lauert überall, weil er auf Schritt und Tritt seine Interessen durchsetzen will, ohne die Belastungssituation für das Opfer zu berücksichtigen. Das Opfer hat dem Erpresser und seinen Absichten gefügig zu sein! Dabei soll der Eindruck erweckt werden, die Entscheidungen des Opfer sind unbeeinflusst und alles passiert auf eigenen Wunsch, um keinen Widerstand aufkommen zu lassen.
Emotionale Erpressung am Arbeitsplatz
Die emotionale Erpressung ist mit steigender Tendenz am Arbeitsplatz anzutreffen und versteckt sich oftmals hinter subtilen Hinweisen auf Gefälligkeiten, Aufforderungen zu mehr Loyalität oder dem weinerlichen Vorwurf:
– „Was habe ich als Kollege bereits für dich alles getan“
– „Wir sind ein Team und halten zusammen, daher ist deine Kritik fehl am Platz“
– „Habe ich mir von dir nicht erwartet, muss ich eben ohne dich arbeiten“
Wer denkt in dem Augenblick nicht daran, klein beizugeben? Schwierig wird es überhaupt, wenn ein systemimmanenter Führungsstil in der Geschäftsleitung vorhanden ist, den der Betriebsrat mitträgt und die Kollegenschaft als Erfolgsweg der Firma akzeptiert. Das Opfer kann sich aus dieser seelischen Umklammerung sehr schwer befreien, befindet sich im Konfliktfall wie „im Doppelnelson“ (Ringergriff) und kann nur mehr unter Gejohle des Publikums – seiner Kollegen – aufgeben. Um in der Sportsprache zu bleiben: „Das Handtuch werfen.“ Die physische und psychische Integrität oder das berechtigte Anliegen des Opfers wird nicht berücksichtigt, sondern nur die Aufrechterhaltung von Machtinteressen im innerbetrieblichen Kontext von bestimmten Gruppierungen und Funktionsträgern findet Anerkennung in den Hierarchieebenen und Applaus durch Mitläufer.
Zuallererst baut das Arschloch Sympathie und Vertrauen zum Opfer auf, um es später emotional im Vier-Augen-Gespräch oder noch wirkungsvoller vor der Gruppe – dem Team – unter Druck zu setzen: „Lieber Kollege, wir schätzen dich alle! Aber deine beabsichtigte Beschwerde in der Zentrale über firmeninterne Vorgänge am Standort kann ich als Betriebsrat und Vertreter der Kollegenschaft nicht gutheißen. Deine Beschwerde gefährdet die Arbeitsplätze von uns allen, und in der Zentrale werden sowieso nur Vorwände gesucht, Einsparungen beim Personal bei uns hier unten vorzunehmen. Du möchtest sicherlich nicht die Arbeitsplätze deiner Kollegen und Kolleginnen gefährden. Denke an Kollegin Susi; sie hat 2 Kinder. Sie braucht ihren Job noch!“
Emotionale Erpressung ist seelische Gewalt
Dass die emotionale Erpressung verborgene Gewalt gegen die Psyche eines Menschen ist und weder einer Wertschätzung noch einer Fairness entspricht, interessiert die Funktions- oder Privatarschlöcher keine Sekunde. Mobbingvorwürfe, sexuelle Übergriffe oder schädliches Verhalten wider anderen Mitarbeitern gibt es nicht, weil nicht sein kann, was nicht sein darf! Die Täterlogik von emotionalen Erpressern! Sie wollen ihre Interessen durchsetzen und gleichzeitig Schuldgefühle in ihren Opfern in Form eines schlechten Gewissens säen. Für die Familie, ein funktionierendes Team im Kleinen oder die Gesellschaft im Großen ist das Gewissen eine unabdingbare Voraussetzung, denn es ist uns ein ständiges und wichtiges Korrektiv. Ein konstruktives Gewissen lässt uns alle an Gegebenheiten des Lebens lernen und wachsen; dem steht das destruktive Gewissen gegenüber, welches Arschlöcher ihren Opfern ganz geschickt suggerieren, um unberechtigte Schuldgefühle zu erzeugen.
Schauen wir genau hin und hören wir aufmerksam zu, dann haben wir gute Chancen den psychischen Umklammerungen der Widerlinge zu entkommen!